Eyecatcher

Biewerumer Quetschekerb

Es kann als gesichert angesehen werden, dass es sich bei der Quetschekerb um eine sogenannte Erntekerb handelt. In Biebernheim gibt es doch eine Kerwerbesonderheit: den Quetschehannes. Seit über 140 Jahren besteht die Quetschekerb in ihrer heutigen Form – angepasst an die Zeit, aber stets im Geist des gemeinsamen Feierns. 

Und das kam so: Ein Händler namens Hannes zog mit Zuckerzeug und anderen Waren über die Hunsrück-Dörfer. Immer zur Zeit der Quetschenreife kam er nach Biebernheim. Das war ein Fest, denn damals gab es solche Sachen nur einmal im Jahr. Liefen die Geschäfte gut (und das taten sie fast immer), so zechte der Hannes und lud Freunde zum Essen und Trinken ein und wurde eingeladen. Dadurch war es wie heute ein Fest für alle. 

Doch plötzlich kam er nicht mehr – Alt und Jung warteten vergebens auf ihn. Aber man wusste sich zu helfen. Man feiert fortan das Fest ohne ihn, aber im Festzelt ist immer ein Platz für ihn reserviert. So wurde die Tradition der Quetschekerb von Generation zu Generation weitergegeben: Freitags wird die Kerb „angesoffen“. Am Samstag wird der Kerwe-Präsident ins Amt eingeführt und spricht zur Biebernheimer Bevölkerung. Von weit her kommen die Gäste am Sonntag, um den Kerweumzug zu erleben. Hier wird mit dem Quetschehannes mitten im Ort getanzt. Ein Erlebnis besonderer Art ist der Frühschoppen auf dem Wackenberg am Montag. Dienstags wird die Kerwe-Bibel geschrieben, in der Tratsch und Klatsch der Kerb von der Kerwejugend in geheimer Sitzung neu verfasst und später dem Volk vorgetragen wird. 

Wenn es dunkel wird, bekommt der Hannes seine „Feuerbestattung“. Zuvor jedoch wird aus der Kerwe-Bibel die Anklageschrift verlesen und erklärt, warum dem Hannes ein solch schrecklicher Tod bereitet wird. Er wird formell angeklagt, schuld daran zu sein, dass den Kerweburschen das Geld ausgegangen ist, dass dem einen oder anderem Burschen sein Mädchen ausgespannt wurde. Selbst für eine schlechte Quetschenernte muss der Hannes herhalten. Freilich werden einige Punkte zu seiner Entlastung angeführt: Er habe für gutes Wetter gesorgt, Freude bereitet und die Kerb durch seine Anwesenheit bereichert. Doch das alles kann ihn vor dem Feuertod nicht retten. “Flammen empor” heißt es, und der Hannes geht in Flammen auf.

Auch nach so langer Zeit ist die Quetschekerb, trotz kleiner Veränderungen, ein lebendiges Fest, das Tradition und Geselligkeit in den Mittelpunkt stellt und jedes Jahr aufs Neue ein besonderes Erlebnis schafft.

Der Quetschehannes – Die Hauptfigur der Kerb

Ursprünglich handelte es sich um einen fahrenden Händler, der zur Kirmeszeit Süßwaren verkaufte und ausgelassen mit der Jugend feierte. Der Hannes selbst muss ein rechter Kirmesnarr gewesen sein, ließ er es sich doch nicht nehmen am Kirmesumzug der Dorfjugend mit zu machen. Bei dieser Gelegenheit soll er so manche Flasche Wein genossen haben. Daher konnte es schon mal vorkommen, dass er, voll des guten Weines, von den Burschen auf den Schultern durch das Dorf getragen wurde. 

Nach seinem Tod im Jahr 1882 schuf man eine Strohpuppe, um ihn zu ehren. Der Quetschehannes trägt Frack, Zylinder und Zigarre und wird am Kirmessonntag weiterhin feierlich durchs Dorf getragen. Während der Kerb „wacht“ er von einem erhöhten Platz über die Feierlichkeiten. Der Quetschehannes übernimmt während der Kirmestage die absolute Herrschaft über das Dorf und deren Bewohner. Diese Herrschaft wird sich nur allzugerne untergeordnet, wird sie doch fast das ganze Jahr von Jung und Alt herbeigesehnt.

Am Montagabend endet sein Auftritt, und er wird symbolisch „erschlagen“. Früher verteilte man seine Überreste, bestehend aus Stroh und Heu, in den Straßen des Dorfes.

Die Kerwejugend

Die Vorbereitung der Kerb erfordert viele Abende, die oft von ausgelassener Stimmung begleitet sind. Ab Mitte oder Ende Juli trifft sich die Kerwejugend dazu in zwei Gruppen, die jeweils eigene Buden haben: die „Straußbud“ und die „Hannesbud“. Während früher Scheunen als Treffpunkt dienten, finden diese Treffen heute meist in Garagen oder Kellern statt, da Scheunen aus Sicherheitsgründen und wegen ihrer Seltenheit kaum noch genutzt werden.

In Biewerum gliedert sich die Kerwejugend nicht in einen einzigen Jahrgang, sondern in fünf Altersgruppen:

Zugucker der Straußjugend (16 Jahre)
Jugendliche, die in diesem Jahr 16 werden, dürfen in die „Straußbud“, um zuzuschauen und sich darauf vorzubereiten, im Folgejahr selbst aktiv am Bau des Straußes teilzunehmen.

Straußjugend (17 Jahre)
Die Mitglieder der Straußjugend bauen den Strauß. Ihre Aufgaben umfassen das Zuschneiden, Lochen und Binden der bunten Bänder, das Binden des Kranzes, das Anbringen der Bänder an den Kranz sowie das Gestalten des kleinen Sträußchens an der Spitze. Auch das Umwickeln des Stammes mit Bändern und das Aufhängen des Kranzes gehören dazu.

Aussetzer (18 Jahre)
Die Aussetzer haben keine festen Aufgaben, gehören aber weiterhin zur Kerwejugend. Sie unterstützen die Straußjugend bei Bedarf, insbesondere bei der anstrengenden Arbeit des „Stampfens“ des Straußes, einer körperlich fordernden Aufgabe.

Zugucker der Hannesjugend (19 Jahre)
Ab 19 dürfen die Jugendlichen in die Hannesjugend wechseln und dort lernen, wie der „Quetschehannes“ gebaut wird.

Hannesjugend (20 Jahre)
Die Hannesjugend ist für den Bau des Quetschehannes verantwortlich. Dazu gehören das Nähen und Ausstopfen des Unterkleids, das Wickeln der Hannesfigur und schließlich das Anziehen mit weißer Hose, Hemd, Stiefeln, Frack und Zylinder. Dieser letzte Schritt erfolgt in der Woche vor der Kerb im Haus des Kirmespräsidenten.

Regeln und Erkennungsmerkmale
Der Zutritt zu den Buden ist klar geregelt: Die Straußjugend (einschließlich Zugucker und Aussetzer) darf ausschließlich die „Straußbud“ betreten. Die Hannesjugend und deren Zugucker hingegen haben Zugang zu beiden Buden.

Zur optischen Unterscheidung der Gruppen werden jedes Jahr neue Farben für die Bändchen festgelegt, die von beiden Gruppen getragen werden. Diese Farben spiegeln sich auch in den T-Shirts und Hosen der Kerwejugend wider: Aussetzer tragen jedoch neutrale weiße oder graue T-Shirts.

Der Kerwepräsident – Tradition und Verantwortung

Eine Woche vor der Kerb wird er gewählt: der Kerwepräsident – oder seit 2001 auch die Kerwepräsidentin. In der „Hannesbud“ trifft sich die Jugend, und bei lockeren Sprüchen und vielleicht dem einen oder anderen Getränk wird entschieden, wer das Amt in diesem Jahr übernimmt. Kein großes Tamtam, aber trotzdem eine wichtige Sache – schließlich hat die gewählte Person während der Kerb einiges zu tun und sorgt dafür, dass alles läuft.

Alte Bräuche? Check. Quetschehannes? Kommt natürlich beim Umzug zuerst auf seine Schultern – ein Moment, auf den sich alle freuen. Und wenn die Stimmung mal ins Chaos abrutscht, behält der Präsident den Überblick – oder tut zumindest so. Am Ende geht’s aber weniger um perfekte Organisation und mehr darum, dass alle zusammen eine gute Zeit haben.

Der Kerwepräsident drängt sich nicht in den Vordergrund. Es geht nicht um große Reden, außer samstags im Kerwezelt, sondern um Einsatz, Humor und ein Gespür dafür, was die Kerb besonders macht. Am Ende sorgt das Amt dafür, dass die Tradition weiterlebt und die Kerb jedes Jahr aufs Neue ein echtes Highlight wird.

Der Frühschoppen auf dem Wackenberg

Der Frühschoppen auf dem Wackenberg, einer Wiese mit Blick aufs Rheintal, entstand aus einer besonderen Idee: Einige Biebernheimer Burschen zogen mit Musik und Getränken auf den Berg, um ihren Mädchen auf der anderen Rheinseite ein Ständchen zu bringen. Da diese Treffen so beliebt wurden, entwickelte sich daraus eine feste Tradition, die heute ein Höhepunkt der Kerb ist.

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